Montag, 22. Dezember 2008

Der 18.12.2008 ein unvergesslicher Tag.

Ich durchbreche hiermit mal die Chronologie, weil diese Geschichte einfach jetzt erzählt werden muss. Leider gibt es keine Fotos und es ist recht viel Text, wenn ihr die Geschichte lest, werdet ihr aber verstehen warum.

Angefangen hat alles am Sonntag den 14.12.2008. Valentin und ich waren gerade auf dem Heimweg von Hikkaduwa nach Mount Lavinia und haben wie immer den Intercity Bus genommen. Jedes Mal wenn ich aus dem Süden komme, benutze ich die Netzinformation meines Handys, um mich zu orientieren und um zu wissen, wann ich die Umgebung genau beobachten muss, um am richtigen Ort auszusteigen.
Der Bus war diesmal extrem voll, und ich musste knapp 2 Stunden mit dem Nacken gegen das Busdach gedrückt stehen. Kurz bevor wir Moratuwa (zwei Orte vor Mount Lavinia) erreichten wurde ein Platz frei und ich konnte mich hinsetzen, immer noch regelmäßig auf mein Handy schauend.
Als wir dann endlich die Gegend erkennen konnten,in der wir aussteigen mussten, habe ich mich durch die stehenden Leute hindurchgequetscht, vorn im Bus meine Tasche gegriffen und bin raus gesprungen.
Und als wir zu Hause ankamen, musste ich feststellen, dass ich nicht wusste mein Handy war.

Für diejenigen, die auf dem Stand sind, dass mein Handy bei einem Bad im Pool kaputt gegangen ist; Nein das ist es nicht, ich habe es trocknen lassen und es funktioniert tadellos.

Jedenfalls habe ich Valentin gebeten mich einmal anzurufen, damit ich es in meinem Zimmer oder sonst wo finden kann…nichts. Die einzige Möglichkeit war, dass ich es auf der Straße (unwahrscheinlich) oder im Bus verloren habe oder dass es mir gestohlen wurde.

Verzweifelt wurde eine SMS gesendet, in der stand, dass der Finder 2000 Rs. Finderlohn bekommt, wenn er mir das Handy zurückgibt.
Aber keine Antwort kam und ich hatte es schon als verloren abgeschrieben.
Am Montagabend dann hatte Valentin noch einmal probiert, anzurufen, und es ging irgendjemand ran, der nur „Hello, Hello“ sagte und kein Wort Englisch konnte.
Nach dem dritten Versuch denjenigen zu kontaktieren, war mein Handy entweder ausgeschaltet oder der Akku war alle.
Wieder war der Funken Hoffnung den ich hatte ausgelöscht.

Als ich den Tag darauf (Dienstag) auf der Arbeit saß, bekam ich einen Festnetzanruf von Uncle, der meinte, jemand hätte ihn angerufen und gemeint mein Handy gefunden zu haben. Das Problem sei nur, dass derjenige 10000 Rs von mir haben wollen würde, damit ich mein Handy zurückbekomme. Ich hab mich zu Recht erpresst gefühlt und war auf 180. Letztendlich wäre es mir lieber gewesen, das Handy wäre einfach nie mehr aufgetaucht. Ich hatte alle Kontakte und wichtige Daten auf meinen Laptop gespielt und zu Hause hat mein Vater ein sogar neueres Sony Ericsson, welches ich hätte haben können.
Aber jetzt wollte ich mein Handy, was mich in diesem Land stets zuverlässig begleitet hat, auf dem viele Fotos drauf sind und welches mir auch die Chlorwasserspülung verziehen hat, wieder haben. Und erst recht wenn mich damit irgendein Penner erpressen will.

Der Typ meinte, ich solle am nächsten morgen zu irgendeinem Kaff kommen, um ihn dort zu treffen. Das habe ich aber nicht geschafft, weil es einfach zu kurzfristig war.

Da der „Finder“ so dämlich war und von seinem Festnetztelefon angerufen hatte, hatte ich aber wenigstens seine Telefonnummer. Am nächsten Morgen (Mittwoch) habe ich dann den Polizeichef des Distrikts, aus dem die Nummer stammte, angerufen. Zwei Vorteile hatte ich gegenüber einem Einheimischen(Dativ oder Genitiv??): Erstens war ich eben nicht einheimisch und zweitens arbeite ich für das Ministerium für Wasserversorgung und Bewässerung (CECB ist dem untergeordnet). Ich denke mal, wegen diesen beiden Tatsachen willigte der Polizeichef ein mir zu helfen (aber ich gehe natürlich davon aus, dass er jedem geholfen hätte). Bis heute habe ich nichts von ihm gehört…naja.

Am Mittwochabend erreicht mich dann wieder die nächste Nachricht. Der Typ wollte am Donnerstagmorgen gegen 10 Uhr zum Colombo Hauptbahnhof kommen, um mich dort zu treffen. Uncle meinte das wäre perfekt, so könne ich mich an die hiesige Polizei wenden und den ihn dingfest machen.

Mein Gott, was für ein Stress, wäre das Telefon doch einfach nur verschwunden geblieben.

Donnerstagmorgen kam noch einmal ein Anruf, dass er sich verspäten würde und deswegen erst zwischen 10.30 und 11.30 da sein würde.
Ich hab die Nacht extrem schlecht geschlafen, hatte Kopfschmerzen und mein Blut kochte. Man wird hier so oft beschissen und dann so was, ich hatte mir fest vorgenommen, mir den Typen richtig vorzuknöpfen.
Zumal ich auch noch mitbekommen habe, wie er versucht hat mich übers Ohr zu hauen. Beim ersten Anruf meinte er zu Uncle, er hätte mich im Bus gesehen und mein Telefon gefunden, beim zweiten sagte er dann, er hätte es gekauft für 8000 Rs und wolle jetzt 10000 haben, damit er auf die 2000 Rs Finderlohn kommt.

Jedenfalls bin ich Donnerstag früh kurz zur Arbeit und von dort aus Richtung Hauptbahnhof.
In der Nähe des Hauptbahnhofs befand sich das Polizeihauptquartier, also bin ich dort hin.
Gegen 9.45 bin ich am Hauptquartier angekommen, um erfahren zu dürfen, dass ich mich an die Polizeistation am Hauptbahnhof wenden muss. Gut, also hab ich die gesucht, am Hauptbahnhof habe ich einige Polizisten gefragt und als sie mir nur die grobe Richtung sagen konnten (Sprachprobleme), hab ich versucht, sie zu überreden, mir zu helfen, aber keine Chance.
Gegen 10 Uhr habe ich dann einen Polizisten an einer Kontrollstation gefragt, der mir dann den richtigen Weg zeigen konnte.
Ich ging also zu dieser Station, um dort nach Hilfe zu fragen, wurde aber wieder abgewiesen, da ich trotz meines Residence Visa’s nicht als Einheimischer gelte, sondern als Tourist. Deshalb müsste ich zur Touristen Polizei und die lag natürlich ganz woanders, ungefähr dort, von wo ich gekommen war.

Also habe ich mich um 10.30 (toll jetzt tickt die Uhr) dorthin aufgemacht. Die Station habe ich auch nicht sofort gefunden, aber zum Glück hat mich ein Touristen Guide (wusste nicht, dass es so etwas in Colombo gibt) angesprochen und mir geholfen das Revier zu finden.

Dort hörte man sich meine Story an und zwei Anrufe später war ich im Büro vom verantwortlichen Polizeimeister.
Zum Glück sagte er „Wir helfen ihnen trotzdem…“, nachdem er meinte, dass ich ja kein Tourist bin, da ich in Colombo arbeite, ansonsten wäre ich wohl durchgedreht.

Er rief drei Beamte in Zivilkleidung zu sich ins Büro, die mich am Bahnhof undercover beobachten sollten, um dann den Typen zu fassen, ich müsse ihm aber Geld aushändigen, denn sonst könnten sie nichts machen.

Mittlerweile war es 11.05 Uhr, und ich habe gehofft, dass der Penner auf mich wartet oder sich verspätet.
Die Beamten sind in einem Polizeifahrzeug vor gefahren, um sich zu postieren, und ich bin 5 Minuten später mit einem TucTuc hinterher.

Am Bahnhof habe ich mich verhalten, wie es mir aufgetragen wurde, bloß keinerlei Kontakt zu den Beamten und mich verhalten, als wenn diese nicht da wären.
Da ich sie aber zuvor gesehen hatte, haben sie sich für mich wie Ampelmännchen in der Masse abgehoben.

Da stand ich nun vorm Bahnhof und wartete darauf, dass mich irgendjemand anquatschen würde.
Als erstes kamen natürlich die TucTuc Fahrer. Jedes Mal dachte ich „Hauptsache die Beamten greifen jetzt nicht zu oder werden nervös oder so“.
Derjenige der mein Handy hatte, hätte mich ja aus den Massen heraus beobachten und, wenn ihm was seltsam vorkommt, einfach abhauen können.
Gegen 11.30 rief ich dann Uncle an, um ihm zu sagen, er solle dem Typen bescheid sagen, wo ich stehe und dass ich dort auf ihn warte. Kurz darauf rief mich Uncle zurück und meinte der Typ würde sich um 10-15 Minuten verspäten und ich solle noch warten.

Warten kann echt anstrengend sein, die Minuten sind einfach nicht verstrichen.
Während dieser 15 Minuten wurde ich dann von jemandem angesprochen, der wohl mein Gespräch mit den Bahnhofspolizisten mitbekommen hatte. Er meinte ich solle doch zur Touristenpolizei gehen, da sitzt ein Captain „Sowieso“, der wüsste was man da machen kann.
Den abzuwimmeln war gar nicht so leicht, ich konnte ja schlecht sagen, dass ich das schon getan hatte und dass hier am Bahnhof drei Zivilpolizisten stehen und mich beobachten. Was wäre wenn das der Typ wäre, der versucht mich auszuhorchen, ich meine ich wusste ja nicht wie er aussieht.
Fünf ewige Minuten hat es gedauert bis ich ihn überzeugen konnte, dass ich schon alles geklärt hatte und jetzt nur auf einen Freund warten würde.
Danach bin ich erst einmal etwas herumgeschlendert, um nicht allzu sehr aufzufallen. Dabei habe ich die ganze Zeit die Polizisten um mich herum schleichen sehen, alle ca. in einem Abstand von 10-30 Meter.

Als ich mich dann hinstellte und meinen Rucksack zwischen meinen Beinen auf dem Boden platzierte, tippe mich jemand von hinten auf die Schulter.
Ich drehte mich um und ein kleiner, dünner 40-50 Jahre alter Mann stand vor mir, sein Kopf wurde nach oben hin immer größer (wie ein Luftballon) und die Haare waren fest und platt an den Schädel gekämmt.

Erst dachte ich, dass es wieder jemand ist, der mir helfen wollte, aber als er anfing zu reden, wusste ich, dass es der Typ sein musste, der mein Handy hatte.
Total verunsichert meinte er zu mir, er sei ein Polizist aus dem Distrikt Kegalle, zeigte mir irgendein Passfoto und fragte mich, ob ich mein Handy verloren hätte (oh mein Gott, wie dämlich muss man den sein, drei verschiedene Geschichten, was für ein Anfänger). Ich sagte ja und fragte ihn, ob er es hätte.

Im Augenwinkel konnte ich die Polizisten erkennen die sich langsam an mir vorbei (mit gebührendem Abstand) hinter den Mann bewegten. Ihre Hemden waren Pastellfarben (grün, blau und rosa) und waren wie in mein Hirn eingebrannt.

Nachdem ich den Typen nach meinem Handy gefragt hatte, fing er an unverständlich zu stammeln, irgendwas von seiner Frau und zurückgeben, und zeigte mir dann mein Handy in einer kleinen Tüte, auf der „Rs. 8000“ stand, mein Handy.
Also fragte ich ihn, wie viel er denn haben wolle, worauf er meinte, 8000 wären genug.
Unglücklicherweise hatte ich genau 3260 Rs. in der Tasche und nicht eine Rupie mehr. Ich nahm also die drei tausender Scheine und sagte, dass das einfach zuviel wäre und dass es unfair wäre, das zu verlangen.
Ich wollte ihm weismachen, dass ich die restlichen 5000 im Rucksack hatte und er erst einmal die 3000 halten sollte, damit ich den Rest herausholen kann.
Aber er wollte sie einfach nicht in die Hand nehmen.
Seitdem ich das Geld herausgeholt hatte waren die Polizisten bis auf 3 Meter hinter den Typen getreten und warteten nur auf den richtigen Augenblick. Ihre Hemden strahlten in voller Pracht und waren einfach nicht zu übersehen.

Nicht hingucken, Alex, nicht hingucken!!!

Mein Herz raste und meine Hände wurden langsam zittrig. Nun wurde ich energischer, streckte ihm die dreitausend weiter entgegen und griff gleichzeitig nach meinen Rucksack.

Dann ging alles recht schnell, als er auch nur einen Finger an das Geld rührte, hatten die Beamten einen Satz gemacht und ihre sechs Arme packten ihn und kreisten ihn ein. Währenddessen bin ich 4 Schritte zurück gewichen, um aus der Schussbahn zu gelangen. Sie brabbelten irgendetwas zu ihm und einer boxte dem kleinen Mann mit der Faust auf den Brustkorb, woraufhin ich meinte, dass er das bitte nicht machen solle.

Der kleine, dürre Mann war jetzt völlig aufgelöst, blickte hektisch um sich und spielte nervös an seinem Ehering herum.
Die Leute am Bahnhof hatte das ganze Spektakel mit angesehen und natürlich schauten nun alle zu uns.
Mit einem Blick, der sagte: „Nicht mit mir Kollegen. Das passiert mit Leuten, die mich bescheissen wollen“, schaute ich zu den TucTuc- Fahrern.

Genugtuung…..

Wir warteten jetzt auf den Transporter, der uns zum nächsten Revier bringen sollte, unterdessen schaute mich der Gefasste mehrmals an und lächelte seltsam.
Irgendwie tat er mir jetzt leid, er wirkte einfach nicht wie ein Krimineller.
Aber er hatte mich immerhin versucht zu erpressen, also warum machte ich mir Gedanken?

Auf dem Polizeirevier am Hauptbahnhof wurden dann unsere Personalien aufgenommen und wir sollten zum Dienst habenden Offizier, der aber nicht da war, obwohl er trotz seines Ranges Dienst haben sollte……

Deswegen sind wir zum Revier der Touristenpolizei gefahren, ich saß hinten auf dem überdachten Polizei-Pickup zusammen mit einem Beamten und dem Festgenommenen, der immer noch komplett aufgewühlt war, aus den Blicken der Verkehrsteilnehmer hinter uns konnte ich sämtliche Emotionen von Empörung bis hin zu Verwunderung erkennen.

Am Revier angekommen, fragte ich was denn nun mit ihm passieren würde, ich wusste ja nicht, wie die hiesigen Behörden mit solchen Leuten umgehen und wie die Gefängnisse hier sind (auch wenn es evtl. nur Untersuchungshaft sein würde).
Meinetwegen hätte er wieder nach Hause gehen können, mein Handy hatte ich ja, und er tat mir immer noch leid.
Sie sagten wir würden später zum Gericht fahren und da würde dann Weiteres entschieden.
Im Revier saß ich dann mit dem Mann allein in einem Raum, wo er mich anflehte, bei meiner Aussage nicht allzu sehr auf den Putz zu hauen und mir immer wieder klar machte, dass seine Familie und er sehr, sehr arm wären.

Wir waren schon auf dem Weg zum Pickup, um zum Gericht zu fahren (ich wollte da eigentlich nicht), da kam uns der Captain des Reviers entgegen, musterte kurz das kleine Häufchen Elend, welches mein Handy gehabt hatte, und sagte wir sollen noch einmal in sein Büro kommen.
Als erstes wurde ich hinein gebeten.
Er (der Captain) meinte, mit seinen 35 Jahren Berufserfahrung könne er sehen, dass das kein Taschendieb ist (Ach……. Selbst ich konnte sehen, dass der niemals Leute bestehlen könnte, vor allem nach dem ungeheuer schlau durchgeführten Erpressungsversuch).
Er fragte mich, ob ich mir sicher sei, dass der Mann das Handy gestohlen hätte oder ob ich es nicht doch verloren hätte.
Ich sagte ihm, dass ich es nicht wüsste, aber ich einfach nicht glauben kann, dass der Typ dazu in der Lage gewesen wäre..
Um zum Schluss zu kommen: Wir haben die Aussagen etwas abgeändert, der Mann ist mit einem riesigen Schrecken davongekommen und ich hab ihm trotzdem die 2000 Rs. Finderlohn gegeben, immerhin hat er mir mein Handy zurückgebracht.
Außerdem habe ich mich auch besser gefühlt.
Wir sind dann beide zur nächsten Busstation gegangen und auf dem Weg dahin hat er gar nicht aufgehört mich zuzutexten und ständig auf die Schulter und den Rücken zu klopfen.
Er wollte noch meine Telefonnummer haben, und dann sind wir in zwei verschiedene Busse eingestiegen.


Meine Güte das war echt ein anstrengender Tag, am Abend beim Skypen mit meiner Freundin habe ich gar nicht mehr aufgehört zu reden.

Valentin war neidisch, weil er den ganzen Tag auf der Arbeit verbracht hatte.

Einige wissen ja, wie oft ich schon etwas verloren habe oder es mir gestohlen wurde, bisher kam alles wieder zu mir zurück und diesmal auch, langsam ist es echt unheimlich.


Also mal gucken was noch alles passiert.

1 Kommentar:

Bazooka Boy hat gesagt…

Also wirklich...

Die beste Story bis jetzt...
Alex gegen den Untergrund von Colombo...

Ich habe noch Tränen in den Augen =D...

Räum mal noch ordentlich auf vor Ort...
Unser Mann im Einsatz...

Unglaublich!!!

Du hast aber auch manchmal Nerven... Aber wenn man permanent übers Ohr gehauen wird, ist es glaub ich natürlich, wenn man irgendwann mal zurückschlägt...